Lumbago, „Ischias“, Lumboischialagie, Hexenschuss: Schmerzen, die aus dem Rücken ins Bein ziehen, sind ein häufiger Grund für den Besuch beim Chiropraktiker.
Landläufig sagt man „Ischias“, wenn Schmerz plötzlich in ein Bein schießt. Der Grund dafür ist in den meisten Fällen Druck auf eine Nervenwurzel oder auch den Nerv im unteren Rücken. Diese Nervenwurzeln sind ein Teil des Nervensystems, der Gehirn und Peripherie quasi kabelgebunden verbindet (z.B.: die Wahrnehmung aus dem Bein muß zur Verarbeitung in das Gehirn gelangen).
Was passiert beim Hexenschuss?
Ein Spinalnerv [1] verlässt den Rückenmarkskanal durch ein Loch, welches aus zwei Wirbelkörpern gebildet wird und läuft dann weiter. Nerven werden aber ungerne gedehnt. Ist das Loch nun kleiner geworden und bspw. eine Entzündung dehnt den Nerv zusätzlich, dann entsteht Stress auf den Nerven und dieser reagiert durch Aktivität (z.B. einschießender Schmerz im Bein). Ein Spinalnerv ist ein Nervenbündel, dessen Fasern unterschiedliche Aufgaben haben: manche leiten Schmerzempfindungen, manche die Empfindlichkeit (Sensibilität), die Bewegungsfähigkeit (Motorik) und einige Einiges mehr. Je nachdem, wo der meiste Druck auf die Faser kommt, bekommen wir Schmerzen, Missempfindungen oder Fehlfunktionen im jeweiligen Versorgungsbereich. Der Ort des Symptoms ist in der Regel aber nicht der Ort des Problems.
Was sind mögliche Ursachen für “Ischias”?
Die Verkleinerung des Durchtrittslochs zwischen zwei Wirbelkörpern kann aus verschiedenen Gründen geschehen: Änderungen der Statik, Muskelverspannungen (Myogelosen), Entzündungen, Abnutzung und Verschleiß der Wirbelsäule (Arthrose, Stenose), Bandscheibenveränderungen (Vorwölbung- oder Vorfall), Wirbelgleiten (Spondylolisthese); aber auch Veränderungen auf der Vorderseite im Bauch- und Beckenbereich, Traumata, andere Knochenveränderungen und grundsätzlich Stress oder gut-/bösartige Neubildungen und Metastasen. Nicht zu vergessen: fortgeschrittene Schwangerschaft.
Die Vielzahl möglicher Ursachen macht eine Differentialdiagnose nötig, damit die beste Behandlungsform gefunden werden kann. Außerdem muss der Notfall Cauda Equina-Syndrom [2] sicher ausgeschlossen werden.
Wie wie ein Hexenschuss diagnostiziert?
Die Untersuchung richtet sich nach dem klinischen Bild, also den subjektiven Symptomen. Anamnese, eine Systematik der Beschwerden, Bewegungstests, neurologische Tests und ein Schmerzassesment sollten erfolgen. Eine Bildgebung wird in der Regel erst ab Beschwerden one Ausfallerscheinungen mit einer Dauer von mindestens 2 Wochen empfohlen [3].
Fokus: Mögliche Behandlung der Ischialgie durch den Chiropraktiker
Chiropraktik bedeutet nicht, dass „manipuliert“ oder „eingerenkt“ wird. Chiropraktik versucht, dem Körper bessere Möglichkeiten zur Selbstorganisation zu geben. Dadurch soll Bewegung besser und Entzündungen weniger werden. Viele Patienten haben aber den Wunsch, dass im unteren Rücken eine sogenannte spinale Manipulation [4] durchgeführt werden soll. Die „S2k-Leitlinie zur konservativen, operativen und rehabilitativen Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik“ der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) rät davon ab („Bei Vorliegen einer radikulären Symptomatik sollen Manipulationen im betroffenen Segment nicht durchgeführt werden“ [5]).
In einer Übersichtsstudie von 2019 kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass eine korrekt durchgeführte spinale Manipulation (engl. abgekürzt SMT) im betroffenen Gebiet nur kurzfristig zu Linderung führt („SMT produces similar effects to recommended therapies for chronic low back pain, whereas SMT seems to be better than non-recommended interventions for improvement in function in the short term.“ [6])
In anderen Segmenten kann eine chiropraktische Justierung bei Ischialgien aber durchaus Sinn machen: die Statik soll verbessert, so Druck vom Nerven genommen und die neurologische Integration verbessert werden. Ebenfalls soll der Stoffwechsel in der Region entlastet und so eine Reduktion der Entzündung möglich werden [7,8]. Dies muß nicht durch eine manuelle Behandlung erfolgen: bei Schmerzen tolerabler sind Justierungen mit dem Activator [9], Thompson-Drop-Technique [10] oder craniosacrale Ansätze [11].
Unterschiedliche Empfehlungen zur Behandlung des Hexenschusses
Die Behandlung von „Ischias“ ist wieder Erwarten nicht gesetzt und wird durch viele Professionen hinweg diskutiert [12,13,14,15,16,17,18]. Hilfreich sein kann anscheinend eine Kombination aus Physiotherapie, Wärme/Kälte-Reizen, einem aktiven Lebensstil (Yoga [19]), psychologischer Begleitung, guter Ernährung und einer medikamentösen Therapie. Wichtig ist, das Sie gut und ausführlich untersucht und beraten werden und sich aktiv mit den Möglichkeiten und auch Begrenzungen der Behandlungsvorschläge befassen. Es gibt keine Abkürzung zu Symptomfreiheit und Heilung. Manchmal muß man das Passende auch gemeinsam suchen. Selten ist es eine alleinige, einmalige Intervention.
Es würde bei der Suche nach einer individuell angepassten Behandlungsstrategie meiner Meinung nach helfen, häufiger in Betracht zu ziehen, dass eine Lumboischialgie ein Symptom anderer, schon länger bestehender Prozesse und Ursachen im Leben und Umfeld der Betroffenen sein kann. Chiropraktische Justierungen wollen Ihnen bei der Entwicklung und dem Erhalt von Lebensqualiität helfen und können ergänzend zu den weiteren therapeutischen Optionen wahrgenommen werden [20].
Quellen:
1 https://flexikon.doccheck.com/de/Spinalnerv
4 https://www.nccih.nih.gov/health/spinal-manipulation-what-you-need-to-know
6 https://www.bmj.com/content/364/bmj.l689
7 https://www.chiropracticnews.org/chiropractic-care-for-sciatica.html
9 https://www.spine-health.com/treatment/chiropractic/activator-method-efficacy-and-risks
10 https://thompsontechnique.org/thompson-technique/how-it-works.php
11 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6937867/
12 https://doi.org/10.1016/S2665-9913(20)30099-0
13 https://doi.org/10.1016/S2665-9913(20)30130-2
14 https://www.nice.org.uk/guidance/NG59/chapter/Recommendations
15 https://files.nccih.nih.gov/s3fs-public/Spinal_Manipulation_for_LBP_12-01-2015.pdf
16 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2841070/
17 doi: 10.1007/s00586-022-07356-y
18 https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-058l_S2k_Lumbale_Radikulopathie_2018-04.pdf